"Auf zu alten neuen Geschichten"


M. WALKING ON THE WATER und "La Louisianne"

? Warum seid ihr für die Aufnahmen eures aktuellen Albums "La Louisianne" ausgerechnet nach Amerika gegangen?

Mike: Einer der wirklich ausschlaggebenden Gründe waren die Außentemperaturen. Im Winter ist es in Louisiana, wo wir im Studio waren, einfach wärmer. Man muß bedenken, daß ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Heizung in meiner Bude hatte und das macht dann doch schon mal Probleme... Dazu kam natürlich, daß diese Gegend um New Orleans eine gewisse musikalische Tradition hat und uns gerade die dortigen locations gereizt haben. Aber wenn ich ehrlich sein soll: Die Idee war, die Platte im warmen Süden aufzunehmen. Und da gibt`s eben nichts besseres.

? Mir würde da eher Kalifornien oder Florida einfallen...

Markus: Der Zufall wollte, das Dave, unser Produzent, dort einige Empfehlungen und Adressen hatte. Das bewegte sich nun mal alles in Louisianna und das haben wir uns dann angekuckt. Die Idee war, alles live in einem alten Studio aufzunehmen, sozusagen ganz nah an der dortigen Musiktradition, so mit Röhrengeräten, und alle spielen zusammen in einem Raum. Dort durfte nicht soviel elektronisches Gedöns sein, direkt auf´s Band wollten wir spielen und auch so abmischen. Viel Atmosphäre sollte sein, die so´n bißchen altmodisch rüberkommt und so haben wir dann eine Platte in der Art aufgenommen, wie man das vor zwanzig Jahren gemacht hat. Die Gegend bei Lafayette in Louisina, dort, wo wir schließlich unser Traumstudio für diese Produktion fanden, ist von Cajun, Country und musikalischen Einflüssen von überall her geprägt: französische, franko-kanadische, karibische und immer handgemachte, ehrliche Musik. Wir hatten den Eindruck, mit unserer letzten Platte "Split" in unserem Studio alles ausgereizt zu haben. Das ist super geworden, aber jetzt mußte ein neuer Kick her. Und da besinnt man sich auf seine Livequalitäten und das haben wir dann auch umgesetzt.

? Wo liegt La Fayette eigentlich und wie war das Leben dort?

Markus: 130 Meilen von New Orleans, mitten im Cajun-Country. Sehr provinziell, ganz anders als in New Orleans.

Mike: Typisch amerikanisch, wobei New Orleans gar nicht so amerikanisch ist. Das ist eben eine der Touristenhochburgen in Amiland.

Markus: Klar sind da viele Touristen, aber du gehst dort zum Beispiel im French Quarter um eine Ecke und schon ist alles sehr ursprünglich. Es ist klein, aber doch irgendwie groß. Und was noch dazu kommt: Louisianna ist ein recht freies Land. Du kannst da saufen, du kannst mit dem Bier auf die Straße gehen, du kannst betrunken Autofahren, das interessiert eigentlich niemanden. Die haben dort alle ein bißchen was von Gangstern. Fragst du die Polizei "Darf man da parken" kriegt man die Antwort "Weiß ich nicht. Interessiert mich nicht". Das interessiert nur die Abschleppunternehmer.

? Die Idee, diese Produktion so zu gestalten, war also von Anfang an da?

Markus: Naja, es war schon so, wie Mike es sagte, das mit der Heizung... Hauptsache in den Süden. Aber wir hatten auch keine Lust, die Platte in unserem Studio aufzunehmen. Wir waren gerade mit dem Renovieren unseres neuen Studios so halbwegs durch...

Mike: Und die Band wollte einfach mal einen Tapetenwechsel und die hat sich dann auch durchgesetzt.

? Ihr seid also auch im Vorproduktionsprozeß anders als sonst vorgegangen?

Markus: Ja, wir haben besser geprobt.

Mike: Und das wäre einfach zu teuer geworden, wenn wir sechs Wochen, wie sonst üblich, ins Studio gegangen wären. Also haben wir uns optimal vorbereitet und das ganze Album in sieben Tagen live eingespielt.

Markus: Und trotzdem kam noch genügend Zufall dabei rum. Ich habe noch nie soviel improvisiert auf einer Platte wie auf dieser. Das lebt einfach und das tut den Stücken wirklich gut. Hätten wir sie auf unserer alten Art gemacht, wären sie bestimmt nicht so schön geworden. Es sind einfach manchmal komische Töne drin und das paßt wunderbar. Die Spontaneität und das Gefühl eines jeden Einzelnen kommt voll zum Tragen und es kann kaum besser sein, auch im Nachhinein nicht.

? Ihr habt also ein Stück mehrmals eingespielt und den besten take dann genommen?

Mike: Genau, wobei wir den Gesang bis auf eine Ausnahme neu aufgenommen haben. Aber das war eher ein technisches Problem. Die hochsensiblen Gesangsmikros haben eine so große Einstreuung, da kannste einfach keinen vernünftigen Gesang aufnehmen. Vor allem, wenn du dann dazu noch ein Instrument spielst. Wir haben die Songs nicht in Kabinen und mit Kopfhören eingespielt, wie man das ja auch macht, sondern so richtig wie auf der Bühne, mit Monitorboxen vor dir und dann ging das ab. Da kannste dann nix mehr ausbessern. Es müssen eben alle gut drauf sein und man muß das Optimum finden, um dem Song den richtigen Kick zu geben. Ich fand das faszinierend, weil´s eben mit Abstand den meisten Spaß bringt, gemeinsam aufzunehmen.

? Ihr habt ja inzwischen auch alles durchgemacht, vom kleinen Wohnzimmer- bis zum großen Conny-Plank-Studio. Würdet ihr sagen, daß die jetzt gewählte Form für euch ideal ist?

Mike: Ja, das ist für mich zukunftsweisend. Ich möchte nicht mehr anders aufnehmen. Wenn´s nicht anders geht, ist auch okay, aber am liebsten nur noch so.

Markus: Musikalisch auf jeden Fall. Man kommt einfach zu anderen Ergebnissen. Jetzt im Moment gefällt mir das auch am besten. Wenn man was anderes macht, kommt man einfach zu anderen Resultaten, auf die man sonst nie kommen würde. Es ist für mich eben die Form des Aufnehmens, die mir am meisten Spaß bringt, weil´s einfach am nächsten am Bühnengeschehen dran ist, und das spontane Gefühl sich gleich einstellt. Bei einer langen Studiosession stellt sich das erst nach einer gewissen Zeit ein. Hier ist es unmittelbar und prompt. Wobei daran nichts ungewöhnliches ist. Andere Bands machen das auch. Ungewöhnlich in unserem Fall ist, daß alles so optimal zusammenpaßte. Vor allem die Gegend, die ja sehr für Livemusik prädestiniert ist, wirkte inspirierend.

? Sind Einflüsse der dort heimischen Musik in eure Aufnahmen eingeflossen?

Markus: Nee, die Stücke waren ja vorher fertig. Wir hätten die auch live im Studio bei uns aufnehmen können, aber die Atmosphäre dort vor Ort hat doch zu Veränderungen geführt. Es war ´ne relaxte Stimmung dort. Es war ein Platz, an dem man noch nie gewesen war. Das ganze Leben drumherum. Wir haben direkt neben dem Studio in einem Holzhaus gewohnt, wo vorher die Großmutter von dem Studiobesitzer Zuhause war. Die alten Fotos dort sorgten für eine absolut schräge Atmosphäre, und das hört man auch auf der Platte. Die Songs sind dadurch einfach originell geworden. Wichtig war natürlich auch Dave. Diesmal haben wir einen executiven Produzenten gehabt, der dann immer schnell entscheiden mußte. Das kann man nicht selber, wenn man spielt. Also haben wir die Produzententätigkeit vollständig aus der Hand gegeben. Dave ist eben ein Supertyp, ein Superfreund und gerade was so natürliche Musik angeht, da ist er wirklich unschlagbar.

? Wo ist dann abgemischt worden?

Mike: Das war in Milton, einem kleinem Kaff in der Nähe. Das Dockside-Studio ist ein kleines Studio in einem schönen Herrenhaus, total ab vom Schuß.

Markus: Erinnerte schwer an Hitchcocks "Psycho"-Haus. Fünf alte Techniker in Rollstühlen schmissen den Laden.

Mike: Und viele alte Frauen liefen da rum und schrien dort nach ihren Söhnen...

Markus: Fragte man vorsichtig "Meinst du nicht, die Gitarre sollte ein bißchen lauter...?" kriegte man die Antwort "Krächz, ächz, schlabber". Dort herrschte eine wirklich mysteriöse Stimmung.

Mike: Markus hat zum Schluß ziemliche Angst gehabt. Der ist dann dort gar nicht mehr hingegangen.

? Welche Freizeitaktivitäten waren dort angesagt?

Markus: Absoluter Favorit war Fußballtennis. Auf dem benachbarten Tennisplatz hingen zwar auch ein Paar Basketballkörbe, aber das haben wir sehr schnell sein gelassen. Nach zehn Minuten waren wir völlig fertig. Nee, Fußballtennis, mit ´nem Ball über´s Netz, das war genau das Richtige. Währenddessen hat Dave dann abgemischt. Wir wollten uns nicht so sehr darum kümmern.

Mike: Zwischendurch sind wir mal rein und haben mal gekuckt.

Markus: Der Standardspruch war dann "Die Gitarren können ein bißchen lauter". Aber er hat sich darum nicht gekümmert. Und das war auch gut so. Wenn man einen Produzenten hat und der dafür bezahlt wird, dann soll er das auch gefälligst machen.

Mike: Alles ist wirklich wunderbar gelaufen.

? "La Louisianne", erscheint bei einer neuen Plattenfirma, der EMI.

Markus: Ja, es gibt nun einen beträchtlichen Unterschied: Die alte Plattenfirma war in Hamburg, jetzt ist sie in Köln.

? Die Covergestaltung ist von den Motiven, die ihr dort angetroffen habt, inspiriert?

Mike: Die Grundidee war, das Prinzip der alten "Blue Note"-Fünfziger Jahre-Jazz-Platten aufzunehmen. Wir haben einen eigenen Fotografen, Philip Lethen, mit rübergenommen, der circa eine halbe Millionen Fotos geschossen hat. Zweihunderttausend davon hätten wir gerne auf dem Cover gehabt, aber das ging dann wohl nicht. Aber Markus ist für´s artwork zuständig. Der kann mehr dazu sagen.

Markus: Ich weiß garnicht, ob man das überhaupt erkennt, aber es kommt irgendwie klassisch rüber. Es zeigt, wie die Platte entstanden ist und das sollte auch so sein. Da es auch viel mit unserer Ursprünglichkeit zu tun hat, ist auch wieder unser altes Signet, der Balkenkopf, drauf. Also auf zu alten neuen Geschichten.

? Gibt "La Louisianne" den der Stand eurer musikalischen Entwicklung optimal wieder?

Markus: Ich kann da nix zu sagen. Es sind einfach sechzehn gute Stücke. Wir haben das gemacht, was wir zur Zeit können.

Mike: Der Stil der Platte ist im Vergleich zu den Vorgängern reduzierter in Sachen action, vor allen Dingen, was unsere Livemusik angeht. Sie ist stärker auf Gefühl ausgerichtet. Der Vergleich, der mit unserer ersten Platte des öfteren gezogen wird, ist schon ganz gut.

? Wie entstehen eure Stücke?

Mike: Das kann man wirklich nicht beschreiben. Die Musik gehört inzwischen so intensiv zum Leben dazu, sie ist so damit verwoben, daß die Stücke einfach geschrieben werden müssen.

Markus: So wie ich pissen und kacken muß, so muß ich auch Stücke machen. Das ist der innere Druck. Und was dann in der Kloschlüssel liegt, das ist die Platte. Da fällt mir ein: Wir sollten mal sowas wie ´ne Geruchsplatte erfinden...

Und nun folgt eine endlose Geschichte über amerikanisches Bier. Die Herren berichten sehr aufgebracht über die in diesen Gefilden erhältliche deutsche Importware. Dort soll es tatsächlich ein Bier namens "St. Pauli Girl" geben, dessen Etikett ein prallbusiges Mädchen ziert, das , in einem bayrischen Dirndl gekleidet (!), die vermeintlichen Vorzüge des in Bremen (!) gebrauten Produktes anpreist. Das allgemeine Entsetzen darüber hält noch heute an. Doch man einigt sich schließlich, daß es eigentlich nirgendwo auf der ganzen großen Welt ein Problem sei, ein gutes Bier zu bekommen. So kommt man schließlich überein, sich nach getaner Arbeit ein gepflegtes Bierchen zu gönnen.

FUEGO/Friedel Muders| 5/95


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