"Walzer im Viervierteltakt"


Seit ihrem Sieg beim Ruhr-Rock-Festival I987 haben sich M. Walking On The Water als deutsche Pophoffnung etabliert. Wie bei Madness und den Pogues zeichnen sich ihre Konzerte durch Volksfestcharakter aus. Am 3.4. spielen sie in der Batschkapp.

M. WALKING ON THE WATER haben schon immer volksnah agiert. Als ehemals musizierendesStraßentheater hat die Gruppe um Markus Maria Jansen (Gesang, Gitarre) und Mike Pelzer (Akkordeon, Gesang) nie den direkten Draht zum Publikum verloren. Noch heute, nach drei Langspielplatten und dem erst kürzlich vollzogenen Wechsel zur Industrie, spielen M. Walking liebend gern ihre Spontangigs. "Erst neulich hatten wir den seit langem tollsten Auftritt", schwärmt Mike. "In unserer Stammkneipe, dem 'Engel', in Krefeld." Dank ihres akustischen Instrumentariums, zu dem noch Kontrabaß (Ulrich Kisters), Schlagzeug (Jürgen Jaehnke) und, neu im Line up, Geige (Axel Ruhland) gehören, ist das auch absolut kein Problem. »Und das ist wunderbar ohne das ganze Gedöns drumherum«, unterstreicht Mike den unkomplizierten Umgang der Band mit Musik.

Klampfe, Fiedel und Schifferklavier sowie ihre Vorliebe für Walzer und andere (urspüngliche) volksnahe Tanzrhythmen haben M. Walking das Etikett einer deutschen Ethnoband eingebracht. Und das renommierte GoetheInstitut muß der Meinung gewesen sein, daß das Quintett Deutschland repräsentieren kann, als es sie letzten Herbst als musikalische Botschafter nach Afrika schickte. So spielten sie dann auf Madagaskar, in Kenia, dem Sudan, Äthiopien und Tansania auf offiziellen und organisierten Veranstaltungen und - wie gehabt - auf der Straße.

"Mit Kultur haben wir schon ein bißchen was zu tun", witzelt Markus. "Aber ob das deutsches Kulturgut ist? Ich weiß nicht. Wir sind ja eher zufällig in Deutschland aufgewachsen und haben vor allem viel Musik aus anderen Ländern gehört. Was den Walzer betrifft: den gibt es in vielen Kulturen. Wir haben ihn nicht als typisch deutsche Wurzeln aufgegriffen. Mehr als alles andere in Deutschland haben uns Weill und Eisler beeinflußt."

Mag ihr neuestes Album, 'Elysian', auch ihr handwerklich souveränstes und melodisch eingängigstes sein, so verliert ihre Popvariante, vergleichbar mit Madness in England und den Pogues in Irland, nie diesen locker-spontanen Volksfestcharakter. Die Musiker, so viel ist sicher, werden auch nie den falschen Ehrgeiz entwickeln, wahre Weltmeister an ihren Instrumenten werden zu wollen. "Unsere Fähigkeiten hinken immer unseren Ideen hinterher", weiß Markus. "Aber man versucht sie dann halt dem anzupassen, was man machen will." Was für richtige Musiker ein Dilemma wäre, ist für Mike eher eine zusätzliche Herausforderung: Die scheinbare Diskrepanz macht für ihn "einen besonderen Reiz aus." So einfach kann Musikmachen sein. Das liegt wiederum am Background der Rheinländer. "Bei uns funktionierte immer alles über das Publikum", erinnert Markus. "Selbst als wir überhaupt noch nicht richtig spielen konnten, um ehrlich zu sein, richtig scheiße spielten, haben die Leute gesehen, daß wir Spaß daran haben. Und wir haben so viel Power rübergebracht. Das kam an."

Wie bei vielen Kollegen ihrer Generation war es auch im Falle von M. Walking der Punk der die Nicht-Musiker ermunterte, selbst ein Instrument in die Hand zu nehmen. "Praktisch aus dem Nichts etwas völlig Neues aufzubauen, dieser Gedanke faszinierte uns", erinnerte Mike. "Punk in seiner Anfangszeit, das war Spaß und Verweigerung, gegen das Establisement und auch die Musikindustrie." Das bestärkte sie in ihrem Vorhaben, trotz des geringen musikalischen Könnens auf die Straße zu gehen. "Die Einstellung führte dann auch zwangsläufig zu ganz anderen, auch aufregenderen Ergebnissen als bei den hyperprofessionellen Kollegen. Die Begrenzung der Möglichkeiten führte uns zu ganz anderen, vielleicht auch absurderen Resultaten."

Für ihr anfangs ungestümes, liebenswert chaotisches, charmant unkontrolliertes stilistisches Kuriositätenkabinett, kreierten M. Walking auch gleich noch ein eigenes Ertikett: "Short Distance Psycho Folk". Die Folkassoziation ist offensichtlich. Das 'Psycho' bezieht sich auf die Antenne der Krefelder für außergewöhnliche Schwingungen, sei es die Atmosphäre zwischen Gesprächspartnern oder die Wellen, die Planeten aussenden, was M. Walking auf ihrem 'Pluto'-Album thematisierten. Und 'Short Distance' verweist auf die geliebten Kneipen-Gigs, den geringen Abstand zum Publikum. Und diese Nähe wird auch beim Konzert in der Batschkapp nicht verloren gehen.

Detlef Kinsler | Journal Frankfurt 7/91
Mit freundlicher Genehmigung!


| Biografie | Discografie | Audio | Video | Lyrics | Stories | Personen | Bilder | Links | Impressum | Kontakt |